Ferienwohnung Hildesheim Moltkestrasse 89
"Ihr Zuhause bei guten Freunden!"

Grünkohl und Bregenwurst 

"Freunde, das schmeckt!"

Im Winter wird es deftig, es gibt Kohl und Schweinernes! Unser niedersächsisches Nationalgericht kann nur zubereitet werden, wenn kerngesunde, ostfälische Landschweine während der Aufzucht viel Fett angesetzt haben und der erste Frost des Jahres dem Kohl die Bitterstoffe entzieht. Das Kohlkochen ist sehr arbeits- und zeitintensiv und bleibt eine stete Herausforderung für jedermann.


Rezept à la Moltkestrasse 89

Die Basis, das eigentliche Geheimnis unseres eigenen, typisch regionalen Rezepts ist die Wurstebrühe, in der der Grünkohl stundenlang bei geringer Hitze kochen muss. Je länger um so besser! Diese Brühe wird aus  Knochen und Abschnitten der Zuschlagstoffe, reichlich frischem Suppengemüse, mehreren Knollen Knoblauchs, mindestens einem halben Dutzend gehäuteten Kohlwürsten, geräuchertem Schweinespeck und -Schwarten bereits am Vortag hergestellt, nach dem erneuten Aufkochen nochmals kräftig mit frisch gemörsertem Pfeffer abgeschmeckt. Gesalzen wird stets zum Schluss der Prozedur, nie während derer. Die zerkochten Geschmacksträger müssen konsequent entsorgt werden. Nach dem Blanchieren wird der Kohl aufwendig handgerupft. Dabei gilt es, alle hellgrünen Strünke sorgfältig zu entfernen ("Grünkohl-Endkontrolle"!). Die zum Teil dicken Strünke gäben viele Bitterstoffe ab, die wir später nicht schmecken möchten. Im Norden Deutschlands versuchen Köche, Grünkohl dem geneigten Gast durch die Zugabe von Zucker oder Melasse zu versüßen. Es werden sogar karamellisierte Kartoffeln als klebrige Beilage gereicht! Wir Südniedersachsen tun das nicht! Unser Kohl ist pikant-würzig, vielleicht sogar frech im Abgang, aber nie irgendwie süß. Aber weiter im Text: Reichlich fein gewürfelten, durchwachsenen, geräucherten Speck gemeinsam mit vielen, sorgsam geschnittenen Zwiebeln ausschließlich in reinem Gänseschmalz oder Entenfett andünsten, den blanchierten Grünkohl sehr, sehr kräftig ausdrücken, beigeben, mit Hilfe der "Großen Kelle" durchschwenken und alles mit Brühe auffüllen, dann kräftig kochen.

Der "Grünkohl" wird in unserer Region auch "Braunkohl" genannt. Die Oberfläche der Kohlschicht verändert durch das Abkühlen über Nacht bei geöffnetem Topfdeckel ihre Farbe, sie wird dunkler, bleibt aber immer grün. Sollten Sie in einem Lokal tatsächlich sehr "braunen" Kohl serviert bekommen, könnte er beim Erwärmen angebrannt sein. Sollten Sie eine Kohlwurst auf Ihrem Teller finden, deren Darm sich nicht leicht und unkompliziert vom Fleischbrät mit einem einzigen Schnitt lösen ließe (das ist bei Industrie- oder "Autobahn-Wurst" stets der Fall!), essen Sie diese Wurst nicht. Sie wird Ihnen nicht schmecken! Geräucherte Kohlwurst ist eine Dauerwurst, die im Grünkohltopf nichts zu suchen hat. Frische Bregenwurst ist nur wenige Tage und das nur bei entsprechender Kühlung haltbar! Die Wurst besteht zu etwa 15 % aus frischen Zwiebeln, 10 % Fleischbrühe. 25 % Bauchspeck und die Hälfte des Produkts sind durchwachsenes Schweinefleisch (Schulter/Nacken). Ein guter Metzger verwendet zum Abfüllen Naturdarm, bestens den Dünndarm eines Schafs, der bedenkenlos gegessen werden darf. Kohlkenner essen den Darm allerdings nicht, weil es ihnen nur auf den Geschmack des Bräts ankommt. Die Kohlwurst wird vor dem Garen im Topf gewissenhaft mit einer vierzinkigen Gabel durch- bzw. angestochen, damit Brühe, Fett und Wurstgewürze vom Grünkohl aufgenommen werden. Nach deren Garziehen werden sie dem Topf entnommen und bis zum nächsten Tag gekühlt gelagert. Die Bregenwurst verliert dabei etwa 15 % ihres Volumens und entscheidende Anteile des Fetts, so dass sie am Tag des Verzehrs bedenkenlos in mehrfacher Anzahl gegessen und garantiert frei von jedweden Spritzern angeschnitten werden kann. 
In der langen Tradition der bäuerlichen Hausschlachtung ist es begründet, dass ein Fleischer alle verwendbaren Stücke des Schlachtviehs verarbeiten muss, um seinem Auftraggeber gerecht zu werden. Beim "Bregen" handelt es sich um die Hirnanhangdrüse des Schweins. Die sieht so aus wie ein kleiner Erdnussflip und wiegt etwa neun Gramm beim ausgewachsenen Landschwein. Neun Gramm "Bregen" werden beim Wursten üblicherweise einer Menge von etwa 50 Litern Wurstbrät beigegeben, weisen tatsächlich keinerlei geschmackliche oder inhaltliche Relevanz auf. Es geht beim Namen der "Bregenwurst" in erster Linie um das Bewahren einer regionalen Bezeichnung. Im Grunde ist die Kohlwurst eine frische Zwiebelmettwurst mit typischer Würznote. Noch ein Tipp: Wird Ihnen in einem Restaurant Senf zum Grünkohl gereicht, verlassen Sie das Lokal. Senf hat weder im Kohl, noch auf der Kohlwurst jemals etwas zu suchen.


Am zweiten Tag des Kohlkochens wird der Topf wieder unter ständigem Rühren und permanenter Aufsicht des geschulten Topfwarts schonend erwärmt, dann kräftig durchgekocht. Die Kohlwürste werden kurz vor dem Servieren auf Temperatur gebracht, ohne dass noch mehr Fett auskochte, womöglich später im vorgeheizten Backofen kurz bei etwa 65° warm gehalten. Zuschlagstoffe wie Kassler, Bauch oder Backe werden ebenfalls bis zur gewünschten Garstufe im Kohltopf erhitzt, entnommen, fachgerecht portioniert und zusammen mit Salzkartoffeln auf vorgewärmten Tellern angerichtet. Kohl wird sehr heiß gegessen, es handelt sich schließlich um ein typisches Saisongericht, das nur im Winter zubereitet werden kann, wenn es draußen frostig und unfreundlich zugeht. "Drinnen" wärmt er vorzüglich Geist, Seele und Gemüt, erfordert blitzartig das gemeinsame Gespräch! Das Grünkohlkochen ist wegen des extremen Arbeitsaufwands eher als gesellschaftliches, verbindendes "Ereignis" zu sehen, das zusammen schweißt, was zusammen gehört, denn als Delikatesse für die abgehobene Gastronomie. "Grünkohl und Bregenwurst, Freunde das schmeckt!" Und Fett bleibt der Aromaträger schlechthin, davon lebt die ganze Geschichte. Die lebt außerdem von und blüht nur auf in einer geselligen Runde, befördert Harmonie und Freundschaft, ist geprägt vom dummen Gerede und den oberklugen Sprüchen, die während der Zubereitung des Kohls zweifelsfrei abgesondert werden müssen. Letztendlich landet alles in einem Topf und wird nur gut, wenn man sich verstehen könnte oder wollte.
Im Topf landet bei uns zum Schluss der Zubereitung obendrein ein kräftiger Schuss des Hochprozentigen, den wir regelmäßig bevorzugen. Oft ist es ein erstklassiger Obstbrand aus Mainfranken. Dessen "fruchtige Note" soll den herrlichen Glanz unseres Produkts noch mehr abrunden. Wir bilden uns ein, dass nach dem Verkochen des Alkohols etwas von dessen Aroma dem Grünkohl später anhaftete. Aber auch das ist natürlich Unsinn, eine weitere Blüte der mittlerweile 42-jährigen, ostfälischen Tradition des Kohlkochens.
Ernsthafte Kohlköche haben am Ende des zweiten Tages tatsächlich noch etwas von der konzentrierten Brühe im Topf. Und die ist der eigentliche Lohn der ganzen Arbeit! Diese recht fettige "Suppe" wird erst spät nachts in feinen, kleinen Schlückchen aus einem großen Schwenker, gemütlich im Ohrensessel am knisternden Kamin dahin schmelzend genossen genauso wie jahrzehntelang gereifter Armagnac oder sie zieht im Stamper ihre öligen Schlieren wie ein sehr alter Single Malt. Einfach wunderbar!

 
 
 
 
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